Konzertbesuch bei Nils Frahm in der Philharmonie Köln

Der Electronic Circus war zu Gast beim herausragenden Konzert von Nils Frahm am 27. Januar 2018 in der Philharmonie Köln. Das Konzert war mit mehr als 1700 Besuchern ausverkauft und beinhaltete Stücke vom letzten Album „All Melody“. Der Musikexpress titelte dazu: Nils Frahm ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass experimentelle Musik nicht wehtun muss und auch dafür, dass die zurzeit ultra-schicken Neo-Klassik-Elektronik-Fusionen komplett kitschbefreit sein können. Der Komponist und Produzent erreicht mit seiner gemäßigten Avantgarde, die immer noch Outsider-Music ist, ein vergleichsweise großes Publikum.

     

Einige Live Impressionen von Nils.

Frahms siebtes (Solo-)Album ALL MELODY erzählt auch eine Geschichte darüber, dass das Umfeld, in dem Kunst entsteht, einen entscheidenden Einfluss auf diese Kunst hat. Musik ist halt mehr als nur die Aneinanderreihung von Tönen. Frahm hat sich im historischen „Funkhaus“ in Berlin ein neues Studio eingerichtet, das viel Raum zwischen den holzvertäfelten Wänden lässt für vintage und selbst gebaute Instrumente.

Selten ist elektronischer Minimalismus und zeitgenössische klassische Musik so scheinbar mühelos zu einem melodienreichen Impressionismus fusioniert worden. Auf ALL MELODY sind die Hierarchien auf angenehme Weise verschoben. Es sind nicht zwangsläufig die „klassischen“ Instrumente für die Melodien zuständig und die Electronics für die Beats, es kann auch umgekehrt sein. Zum Beispiel „Sunson“, das nach einem sakra­len Orgelvorspiel zu einem astreinen unelektronischen Techno-Track wird. Oder die dezenten Abstraktionen in „A Place“, die eine elektronische Wirkung entfalten, ohne explizit elektronisch zu sein.

Nur wer weiß, dass aus den jahrelangen Sessions für ALL MELODY Musik für 20 Alben entstanden ist, glaubt eine gewisse Inhomogenität der Tracks zu erkennen: Piano-Solo-Stücke, Ambient-artige Kompositionen, Minimal Music, Glitch, Techno not Techno. Aber ein Album ist das, was der Künstler dazu bestimmt, egal wie viele Aufnahmen nicht verwendet wurden.  (Musikexpress)

Frahm bekommt eine frühe Einführung in die Musik, durch die er in die Werke der klassischen und zeitgenössischen Komponisten eintaucht und sich mit ihren Stilen beschäftigt. Bereits während seiner Kindheit erhielt er Klavierunterricht von Nahum Brodski, einem Schüler von Alexander Borissowitsch Goldenweiser und Grigori Romanowitsch Ginsburg. Einen weiteren wichtigen Einfluss verdankt Nils Frahm seiner Klavierlehrerin Karin Gerken, von der er auch sein Fender Rhodes bekommen hat.

Heute ist Nils Frahm als Komponist und Produzent in seinem in Berlin gegründeten Studio Durton tätig, wo er mit gleichgesinnten Musikern arbeitet. Sein unkonventioneller Ansatz zu dem Jahrhunderte alten Instrument Klavier, kontemplativ und intim gespielt aber auch hymnisch sowie ekstatisch, gewinnt viele Fans auf der ganzen Welt. Als Musiker, der sich an einem relativ frühen Punkt seiner Karriere befindet, zeigt Frahm einen stark entwickelten Sinn für Kontrolle und Zurückhaltung in seiner Arbeit. Bei seinen Auftritten arbeitet Frahm neben dem Piano mit einem Fender Rhodes und einem Juno Synthesizer, wobei er auch Samplings und Loops seiner Musik mit einem Computer erzeugt.

Fazit zum Kölner Konzert: Nils Frahm passt ohne Frage in unsere EM-Szenerie, hat aber eine sehr große Fanbase, die man in „unseren Breitengraden“ vergeblich findet. Wir kannten kaum Leute. Überraschend auch der hohe weibliche Anteil des zum großen Teil sehr jungen Publikums. Auch das findet man bei uns ja schon lange nicht mehr. Ohne Zweifel hat diese „neue elektronische Musik oder Neo-Klassik“ viele Freunde und Fans. Das Publikum war enthusiastisch und gab mehrmals standing ovations. Nils Frahm sprintet hin und her zwischen seinen „Burgen“, mal mit ungeheurer Power, mal ganz leise und tief in die Musik versunken. Und die Toilettenbürsten durften einmal mehr nicht fehlen. Ein filigraner Techniker, der virtuos aufspielt und eine grandiose Fingerfertigkeit besitzt. Dieses Mal war das Konzert sehr elektronisch, was sich bei ihm in den letzten Jahren ja eher gewandelt hat. Klasse auch seine humorige Art und die große Publkumsnähe, die sich später bei der Autogrammstunde zeigte. Er hat stets ein offenes Ohr – der Labelstand war proppenvoll, der LP und auch CD Verkauf sucht seinesgleichen. Da die Tournee größtenteils bereits aufverkauft ist (in Deutschland und Holland), wagt er sich nun auch nach Amerika. Diese Musikszene lebt und hat uns schwer begeistert. Es bleibt zu wünschen das Nils irgendwann einmal auch den Weg zu uns finden kann.

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